
4 days ago
Alexander von Humboldt im Bergbau bei Herdorf
Wie revolutioniert man Bergbau, Bildung und Nachhaltigkeit, lange bevor diese Begriffe überhaupt existierten? Der 25-jährige Alexander von Humboldt fand 1795 Antworten – und legte in seinem Gutachten zu den Gruben rund um Herdorf den Grundstein für modernes Ressourcenmanagement. In unserer neuen Podcast-Episode erfährst du, welche Missstände er schonungslos aufdeckte, welche technischen Innovationen er forderte und warum seine Ideen bis heute faszinieren.
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Alexander von Humboldts Gutachten vom 20. Juni 1795 über das Berg- und Hüttenwesen der Grafschaft Sayn-Altenkirchen bildet den roten Faden dieser Podcast-Episode, in der wir den Fokus auf die Grubenlandschaft rund um Herdorf legen. Eingebettet in eine politisch schwebende Situation – die Grafschaft gehörte noch dem Markgrafen von Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, stand faktisch jedoch schon unter preußischer Verwaltung – begab sich der erst 25-jährige Humboldt im September 1794 für wenige Tage vor Ort. Sein daraus erwachsenes, mehr als siebzig Seiten starkes Gutachten vereint erstaunlich präzise Feldbeobachtungen mit ökonomischer, sozialer und ökologischer Analyse.
Die Episode schildert zunächst, wie Humboldt das enorme Erzpotenzial der Region registrierte: Eisen, Kupfer, Blei und Kobalt lagen in zahlreichen Stollen, etwa in der Hollerter-Zug-, Goldenhardt- und Milde-Grube. Gleichwohl zeichnete er ein ernüchterndes Bild der Wirtschaftslage. Ineffiziente Holzkohlen- und Wasserwirtschaft zwangen Hochöfen zu kurzen, verlustreichen Betriebszyklen, während ein kompliziertes Abgabensystem und der Eisensteinzehnt den „Schürffleiß“ der Gewerken abwürgten. Besonders kritisch beurteilte Humboldt die Besoldungspraxis der Bergbeamten: Weil ihr Einkommen von variablen „Sporteln“ abhing, waren sie allzu abhängig von den Gewerken und verloren Durchsetzungskraft gegenüber Missständen.
Im Zentrum der Besprechung steht deshalb Humboldts Reformagenda. Er empfiehlt einen neuen Entwässerungsstollen für die Hollerter-Zug-Grube, propagiert das „Baadersche Zwischenraum-Schießen“ zur Pulvereinsparung, rügt fehlerhafte Zimmerung und preist leichtere Fördertonnen als Mittel gegen ineffiziente Seil- und Kübelsysteme. Ebenso fordert er eine freie Bergschule in Dermbach, um den Bergleuten elementare naturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln und Aberglauben durch Aufklärung zu ersetzen. Seine Kritik an der vernachlässigten Waldkultur, vor allem am verschwenderischen Hauberg-Betrieb, mündet in den Vorschlag, Holz in Losen zu versteigern, damit Köhler und Gewerken selbst ein finanzielles Interesse an sparsamer Holznutzung entwickeln. Auch wirtschaftspolitisch geht Humboldt in die Offensive, plädiert für ein vereinfachtes Steuersystem und empfiehlt feste Lieferverträge mit Abnehmern in der Grafschaft Mark, um Preisschwankungen auszubalancieren.
Die Episode macht deutlich, dass Humboldts Blick von Anfang an holistisch war. Er verband geologische Details, technische Prozesse und forstwirtschaftliche Fragen mit den Lebensbedingungen der Bergleute zu einer Gesamtbetrachtung, in der Natur, Technik und Gesellschaft untrennbar ineinandergreifen. Gerade dieses frühe Systemdenken erklärt, weshalb viele seiner Vorschläge später in die preußische Montanverwaltung einflossen: feste Beamtengehälter, verlässliche Datenbasis, langfristige Planung, nachhaltiger Ressourceneinsatz. Damit erweist sich das Gutachten als visionäres Dokument, das weit über einen technischen Bericht hinausgeht und bis heute Maßstäbe für wirtschaftliche Verantwortung in rohstoffintensiven Branchen setzt.
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